Die Corona-Pandemie ist auch in die türkischen Gefängnisse übergesprungen. In dem größten türkischen Gefängnis in Istanbul-Silivri gibt es einen rasanten Anstieg. Gefangene und ihre Angehörigen haben Angst.
Von Cevheri Güven
Das Coronavirus breitet sich in den türkischen Gefängnis aus. Die steigenden Infektionszahlen werden inzwischen vom Justizministerium und den Staatsanwaltschaften bestätigt. Wegen seiner Größe ist das Augenmerk in der Türkei auf das Gefängnis von Istanbul Silivri gerichtet. Wegen der Pandemie dürfen Gefangene nicht mehr besucht werden. Staatdessen dürfen sie doppelt so viel Telefonieren, wie bislang erlaubt war. Im Gefängnis von Istanbul Silivri sieht das anders aus: Statt zwei Mal je 10 Minuten zu telefonieren, dürfen die Häftlinge einmal 20 Minuten pro Woche telefonieren. Deswegen ist es schwierig schnell an Informationen aus dem größten Gefängnis in der Türkei zu erhalten. Ein anderes Problem im Silivri-Gefängnis ist, dass bei einem einzigen positiven Coronafall niemand aus der Zelle nicht mehr mit seinem Rechtswanwalt treffen kann. Nur selten konnten deswegen die Rechtswanwälte mit den Gefangenen sprechen. Die selben Gefangenen dürfen auch nicht mehr mit ihren Familien telefonieren.
Ehefrau von Gefangenem: “Mein Mann hat sein Bewusstsein verloren”
Mein Mann ist in Bereich 7, Station B10. Am Mittwoch hatten wir ein Telefongespräch. Mein Mann sagte, er werde etwas langsamer sprechen. Als er das sagte, machte ich mir Sorgen. Normalerweise spricht er am Telefon nicht über Probleme. Er zeigt es uns nicht. Er will auch nicht, dass wir es sagen. Er sagte, dass er sich kraftlos fühlt und er gestern das Bewusstsein verloren hat. In seiner Zelle gebe es kranke Gefangene und deswegen solle heute mit jedem ein Test durchgeführt werden. In der ersten Woche des Ramadan sei das Essen sehr schlecht gewesen und ihnen nur Fertigessen gegeben wurde. Danach sei es etwas besser geworden. Wegen der Epidemie sei die Kantine geschlossen. Deswegen könnten die Gefangenen kein Obst und Gemüse mehr kaufen,” erzählt die Frau im Gespräch mit Bold.
Die Ehefrau des Gefangenen hatte erst nach drei Tagen jemanden in dem Gefängnis erreichen können. Ihr Man sie positiv auf das Coronavirus getestet worden:
“Mir wurde gesagt, mein Mann sei in Quarantäne und er bekomme Medikamente unter der Aufsicht des Gefängnisarztes. In der elektronischen Krankendatenbank “e-nabız” wird gezeigt, dass seine Zellennachbarn ins Krankenhaus gebracht wurden und sie dort an der Lunge untersucht werden. Wir wissen nicht, ob mein Mann und seine Zellennachbarn im Krankenhaus oder im Gefängnis sind. Normalerweise achtet mein Mann darauf auch zu fasten, wenn er krank ist. Er erzählte, dass er seit zwei Tagen nicht mehr fastet. Er fühlt sich also schlecht.”
Krankheit breitet sich aus
Nach bestätigten Information gibt es im Bereich 6, 7 und 8 des Silivri-Gefängnissen positive Fälle. Grund dafür ist, der Transfer zwischen den Zellen, um Quarantäne-Bereiche zu errichten. Der 25-jährige Enes Karaduran ist im Bereich 7 des Silvri-Gefängnissen inhaftiert und befindet sich derzeit in medizinische Behandlung. In seiner 44-Mann-Zelle wurden 10 Gefangene in andere Zellen verlegt. In Station B10 seien die positiven Fälle erst danach aufgetaucht. Sei Bruder hatte in einem Gespräch mit der Online-Plattform “Artı Gerçek” über die Probleme in dem größten türk. Gefängnis gesprochen. “Enes war in einer Zelle für 7 Personen mit 44 Gefangenen eingesperrt. Danach wurden 10 der Gefangenen in andere Zellen verlegt,” und damit diese Informationen bestätigt.
Staatsanwaltschaft von Istanbul-Bakırköy bestätigt.
In einer Stellungnahme vom 8. Mai 2020 hat die Staatsanwaltschaft von Istanbul-Bakırköy die positiven Tests von 44 Gefangenen im Bereich 7 des Silivri-Gefängnisses bestätigt. Man sei mit den zuständigen Gesundheitsämtern im Austausch.
Erreichen per Telefon nicht möglich
Die positiv getesteten Gefangenen im Silivri-Gefängnis fordern eine eigene Telefonleitung und einen Verantwortlichen, der die Fragen ihrer Angehörigen beantwortet. Auch die Ehefrau eines Gefangenen aus dem Bereich B10 klagt über Probleme:
“Mein Mann sagte ihm ginge es am Mittwoch schlecht und er getestet werden soll. Ich konnt das Gefängnis aber erst am Samstag erreichen. Wenn ich dort jetzt anrufe, ist es ständig besetzt. Mein Mann würde mir niemals amTelefon sagen, dass er langsam sprechen werde. Es sagt nichts, was nur annähernd negativ ist. An diesem Tag war er aber sehr aufgebracht. Die Gefangenen dort sind offenbar alle angespannt. Es ist sein 15- Prozesstag. Der letzte Prozesstermin wurde auch verschoben. Sie sagen schon vor Prozessbeginn, dass sie den Termin verschieben werden. Alle unsere Freunde haben die selben Probleme. Wann, wenn nicht jetzt sollen die Gefangenen entlassen werden?
Lebensmittelprobleme
Neben dem Kommunikationsproblem sind auch Lebensmittel zu einem Problem in den Gefängnissen in der Türkei geworden. Nach dem neuen Strafvollzugsgesetz wurden rund 90.000 Gefangene entlassen. In den Küchen der Strafanstalten gibt es deswegen Personalmangel. In vielen Haftanstalten gab es wochenlang keine warmen Mahlzeiten. Weil auch die Kantinen wegen Vorsichtsmaßnahmen geschlossen wurden, können die Häftlinge auch kein Obst und Gemüse mehr kaufen. Das führt dazu, dass die Betroffene ein schwächeres Immunsystem haben.
cezaevlerindecorona.com
Das türkische Justizministerium hat weiterhin keine Möglichkeit geschaffen um an Informationen in den Gefängnissen zu kommen. Es werden auch keine regelmäßigen Pressemitteilungen dazu herausgegeben. Deswegen informiert eine Gruppe von Rechtsanwälten auf ihrer eigenen Internetseite www.cezaevindekorona.com (übersetzt: Corona in den Gefängnissen”) über die Entwicklungen in den Haftanstalten. Hier werden die Informationen zwischen den Rechtsanwälten und Angehörigen der Gefangenen zusammengetragen.