Menschenrechtsaktivisten fordern die Freilassung von Häftlingen, die an Covid-19 erkrankt sind und gehen davon aus, dass die Regierung die Krankheit als Rache gegenüber den politischen Häftlingen instrumentalisiert.
Der Menschenrechtsverein IHD mit Sitz in Ankara gibt an, dass sich 1333 kranke, darunter 457 schwerkranke Gefangene in den türkischen Gefängnissen befinden. Obwohl einem Großteil der Erkrankten ein Attest von der örtlichen medizinischen Behörde vorliegt, wird ihnen eine Freilassung nicht gewährt. Dies entspricht dem neuen Vollstreckungsgesetz, das mit einer Mehrheit der AKP und MHP verabschiedet wurde, welches Sonderregelungen bezüglich der Freilassung von Häftlingen während der Corona Pandemie regelt. Lediglich Häftlinge, die nicht aus politischen Gründen gefangen sind, sollen freigelassen werden. Laut den Aktivisten seien die Häftlinge regelrecht dem Tod ausgesetzt.
Der IHD berichtet, dass sich die gesundheitliche Lage immer weiter verschlechtert und die Häftlinge keinen Zugang zu Therapiemöglichkeiten haben.
Der Kontakt zu Ärzten und die Überweisung an Krankenhäuser sei gänzlich gestoppt worden. Weder bereits vor der Epidemie vorhandene Krankheiten noch Covid-19 würden mehr behandelt. Den Häftlingen sei jegliche medizinische Behandlung untersagt.
Die Tatsache, dass politisch Gefangene grundsätzlich von der Sonderregelung, die zum Schutz der Gesundheit dienen soll, ausgeschossen sind, gebe ein klares Bild darüber, dass das Rechtssystem auf Feindschaft und Loyalität gegenüber der Regierung aufgebaut sei. Nach Gülseren Yoleri vom IHD seien die Bedingungen der Haft für politische Gefangene ohnehin unmenschlich und durch die Pandemie sei das Gesundheitsrisiko nun enorm gestiegen. Sie fordert die sofortige Freilassung der Kranken.
Das neue Vollstreckungsgesetz untersagt die Freilassung von Terroristen. Nach Sebnem Korur Fincanci vom TIHV sei der Begriff Terror in der Türkei jedoch ohnehin zu weit gefasst, denn Oppositionelle würden in der Türkei willkürlich des Terrors bezichtigt und inhaftiert.
Financi gibt außerdem an, dass die genauen Zahlen wohlmöglich viel höher lägen. Nach Financi verstoße die Regierung momentan mehrfach gegen die Grundrechte Leben und Gesundheit. Auch, wenn die Regierung ihren Willkürapparat heute durchzusetzen vermag, würden die Ereignisse dokumentiert und die Verantwortlichen früher oder später zur Rechenschafft gezogen werden.
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